Grundsatzpositionspapier Queerfeminismus
Die Juso Schwyz setzt sich dafür ein, dass der Kampf für soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung aus queer-feministischen Perspektiven geführt wird. Ein gleichberechtigtes Schwyz ist nur möglich, wenn die Anliegen von FLINTA*-Menschen (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans- und agender Menschen) in möglichst allen politischen Bereichen berücksichtigt und unterstützt werden. Im Queerfeminismus geht es darum, strukturelle Ungleichheiten, geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung zu bekämpfen und für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der alle Personen gleichberechtigt sind und anerkannt werden.
Ungleiche Entlohnung von FLINTA*-Personen
Die ungleiche Entlohnung ist ein deutliches Zeichen für die Ungerechtigkeit, der FLINTA*- Personen in der Arbeitswelt ausgesetzt sind. Obwohl sie gleiche bzw. ähnliche Tätigkeiten ausüben, werden sie geringer bezahlt als ihre cis-gender männlichen Kollegen.
In der heutigen Schweiz bestehen nach wie vor erhebliche Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern. Gemäss der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2022 (welche von einem binären Geschlechtersystem ausgeht) betrug der Medianlohn der Frauen im Durchschnitt CHF 6'397, während die Männer im gleichen Zeitraum einen Medianlohn von CHF 7'066 verdienten. Das entspricht einer Lohnlücke von rund 9,47% zum Nachteil der Frauen. Diese Lohnungleichheit ist ein Grund dafür, warum Frauen in ihrem Alter häufiger finanzielle Schwierigkeiten haben als Männer. Diese Ungerechtigkeit macht klar, dass die gesellschaftliche Diskriminierung weiterhin existiert. Deshalb verlangt die Juso Schwyz die Schaffung von Lohntransparenz, um Benachteiligungen aufzudecken und zu bekämpfen.
Unbezahlte Care-Arbeit
Ein zentrales Thema der queerfeministischen Bewegung ist auch die Care-Arbeit, die überwiegend von FLINTA*-Personen geleistet wird. Diese Arbeit wird gesellschaftlich wenig bis gar nicht anerkannt und oft im Stillen geleistet. Sie ist für unsere Gesellschaft überlebenswichtig. Trotzdem wird diese Arbeit meist nicht oder nur ungenügend entlöhnt. Die Juso Schwyz fordert faire Löhne für alle Care-Arbeiten in jedem Bereich. Wir setzen uns dafür ein, dass Care-Arbeit nicht einseitig den FLINTA*-Personen aufgebürdet wird.
Gewalt und Diskriminierung von FLINTA*-Personen
Gewalt und Diskriminierung gegenüber FLINTA*-Personen sind in der Bevölkerung stark präsent. Im Kanton Schwyz gibt es in diesem Bereich viel Raum für Verbesserungen. Es fehlt im Kanton ein Frauenhaus, das Schutz für Gewaltopfer bietet, und es fehlen die notwendigen Aufklärungen, um effektiv gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung vorzugehen. Die Juso Schwyz fordert die dringende Einrichtung eines Frauenhauses sowie eine intensive Schulung und Sensibilisierung der Gesellschaft für diese Problematik. Ebenso fordern wir eine Datenerfassung zu geschlechtsspezifischer Gewalt, damit das tatsächliche Problem erfasst werden kann und entsprechende Lösungen möglich werden.
Diskriminierung im Gesundheitswesen
FLINTA*-Personen werden auch im Gesundheitswesen diskriminiert und ihre Anliegen nicht berücksichtigt. Die medizinische Forschung ist von patriarchalen und cis-heteronormativen Stereotypen und Idealen geprägt, was die gesundheitliche Versorgung von FLINTA*- Menschen stark negativ beeinflusst. Die Verwendung von Cis Männern als Massstab führt dazu, dass die Erfahrungen und Körper von FLINTA*-Personen unzureichend erforscht werden. Symptome, Krankheiten und Auswirkungen von Medikamenten werden anhand von einem cis-gender männlichen Norm gemessen, wodurch die Lebensrealitäten von allen anderen Personen vernachlässigt werden. Die Juso Schwyz fordert eine ausgeweitete intersektionale medizinische Forschung, in der nicht von einem binären Geschlechtersystem ausgegangen wird und alle Personen das Recht auf Selbstbestimmung haben. Der Zugang für Gender-Affirming Care für Trans Personen ist ein Grundrecht und sollte unabhängige von der finanziellen Situation zugänglich sein. Krankenkassen sollten nicht willkürlich entscheiden können oder Bedingungen aufstellen können, die Trans Personen erfüllen müssen, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt.
Auch das Recht auf einen sicheren und selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch wurde in den vergangenen Jahren immer wieder in Frage gestellt. In der Schweiz sind Abtreibungen nur straffrei, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Die Juso Schwyz fordert das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und insbesondere den offenen Zugang zu Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten für schwangere Personen. Alle Schwangere haben das Recht auf einen unterstützten und sicheren Schwangerschaftsabbruch.
Die Juso Schwyz fordert zudem das Verbot von geschlechtsverändernden Operationen an intergeschlechtlichen Babies. Intergeschlechtliche Personen haben das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und sollen auf eigenen Wunsch hin Zugang zu Operationen und medizinischer Beratung und Behandlung haben.
Fehlende Anerkennung aller Personen deren Geschlecht ausserhalb des binären Geschlechtersystems
Ein zentrales Problem der Schweiz aus einer queerfeministischen Perspektive ist die fehlende Anerkennung aller Personen deren Geschlecht ausserhalb des binären Geschlechtersystems liegt. Der Bundesrat lehnte am 21.12.2022 die Einführung eines dritten Geschlechtseintrags ab mit der Begründung, «Die gesellschaftlichen Voraussetzungen» seien noch nicht gegeben. Dieser Kommentar impliziert, dass Trans Personen erst dann ein Recht auf Anerkennung haben, wenn sich die Bevölkerung dafür ‘bereit fühlt’. Diese Aussage ist nicht nur falsch, sondern auch zutiefst transfeindlich. Die Juso Schwyz fordert die Einführung eines dritten Geschlechtseintrages sowie den Schutz von geschlechtlichen Minderheiten vor Diskriminierung. Das langfristige Ziel soll die komplette Streichung des Geschlechtseintrages in amtlichen Ausweisen sein.
Migrantisierte FLINTA*-Personen
In queerfeministischen Kämpfen und Diskursen ist es wichtig, intersektional zu kämpfen und sich von den Ansätzen des weissen Feminismus zu distanzieren. Die Lebensrealitäten von People of Colour und geflüchteten und migrantisierten FLINTA*-Personen müssen erfasst und mitgedacht werden. Die Fluchtursachen von FLINTA*-Personen sind oft geschlechterspezifisch wie beispielsweise sexualisierte Gewalt, Zwangsheirat, Misogynie, Menschenhandel und weitere. Diese Ursachen müssen im Asylprozess berücksichtigt werden und der nötige Schutz dazu gewährleistet werden. In der Schweiz muss diese Ebene dringend aufarbeitet werden. Die Juso Schwyz fordert deswegen bessere Schutzunterkünfte für geflüchtete FLINTA*-Personen mit ausreichender Privatsphäre, sowie rechtliche Unterstützung und Beratung. Die geschlechtsspezifischen Schutzbedürfnisse müssen in der Schweiz berücksichtigt werden und die restriktive Asylpolitik umfassend verändert werden.
Fazit:
Queer-Feminismus ist keine Floskel, sondern steht im Zentrum einer antikapitalistischen und antipatriarchalen Bewegung, die alle Formen der Unterdrückung überwinden will. Wir wollen erreichen, dass Lohnungleichheit, ungerechte Care-Arbeit, medizinische Versorgung, Schutz von FLINTA*-Personen und geschlechtsspezifische Gewalt im Kanton Schwyz nicht länger tabuisiert werden. Es müssen dringend Massnahmen ergriffen werden, um diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen und eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen gleichberechtigt sind und das Recht Selbstbestimmung haben, unabhängig von Geschlecht, Identität oder sexueller Orientierung. Jede Massnahme, die wir in diesem Bereich ergreifen, trägt dazu bei, den Kanton Schwyz zu einem sicheren Ort für alle zu machen.